Siebzig Prozent (70 %) Regelung PV und Wirkleistungsbegrenzung
Was bedeutet die 70 %-Regel?
Die Einspeiseleistung von PV-Anlagen am Netzeinspeisepunkt musste bisher bei Anlagen bis 25 kWp auf 70 % ihrer Nennleistung begrenzt werden. Durch diese "Abregelung” soll eine lokale Überlastung des Stromnetzes verhindert werden. Umgesetzt wird die 70 %-Regelung entweder durch eine direkte Leistungsbegrenzung des Wechselrichters oder durch Einsatz eines Energiemanagementsystems, welches die Einspeisung auf maximal 70 % begrenzt ("dynamische Wirkleistungsbegrenzung").
Umgehen ließ sich die Leistungsbegrenzung nur über die Teilnahme am Einspeisemanagement durch den Netzbetreiber. Das erfordert aber die Anschaffung eines Funkrundsteuerempfängers (FRE) oder eines intelligenten Messsystems (Smart Meter) durch die Anlagenbetreiber. Weil diese Investition aber nicht für alle PV-Anlagen lohnend ist, haben sich viele Betreiber für die Leistungsbegrenzung entschieden. Diese ist im September 2022 für Neuanlagen bis 25 kWp und ab 2023 für Bestandsanlagen bis 7 kWp weggefallen. Für größere Anlagen besteht weiterhin eine Pflicht zum Einspeisemanagement.
Wie wird die 70 % Regel technisch umgesetzt?
Die einfachste Möglichkeit, die 70 %-Regel technisch einzuhalten, besteht in der „harten“ Abregelung der Einspeiseleistung am Wechselrichter, was gleichbedeutend mit der Abregelung der Gesamtleistung ist. Allerdings erreichen die meisten PV-Anlagen ihre Nennleistung nur an wenigen Stunden im Jahr, die Verluste sind also gering, insbesondere bei Anlagen mit Ost/West-Ausrichtung.
Alternativ zur Abregelung am Wechselrichter lässt sich die 70 %-Regel durch den Einsatz eines Energiemanagementsystems erfüllen. Durch deren Aufhebung können aber nur noch geringfügig höhere Solarerträge erzielt werden, da die intelligente Steuerung das Potential der Anlage bereits zu großen Teilen ausschöpft.
Was ist nun zu tun?
Alle Betreiber von Anlagen, die nach dem 14. September 2022 installiert wurden sind, müssen nichts tun. Betreiberinnen und Betreiber von Bestandsanlagen bis 7 kWp können theoretisch ab dem 1. Januar 2023 die Aufhebung der Wirkleistungsbegrenzung beim lokalen Netzbetreiber beantragen. Das geschieht durch Ausfüllen des Formulars „Anmeldung zum Netzanschluss (ANA)". Das ist der gleiche Vorgang, wie bei jeder Neuanmeldung einer PV-Anlage.
Hinweis:
Leider können wir Ihnen an dieser Stelle keinen Link zu einem Antragsformular zur Verfügung stellen, weil noch jeder Netzbetreiber eigene Formulare verwendet.
Für Ihre Recherche: Die Information, wer Ihr Netzbetreiber ist, finden Sie auf Ihrer Stromrechnung. Manchmal wird hier anstelle eines Namens nur ein 13-stelliger Code (BDEW-Codenummer) angegeben.
Der Netzbetreiber prüft, ob das lokale Netz ausreichend Kapazität für die Aufnahme der maximalen Erzeugungsleistung der PV-Anlage besitzt. Erst nach Freigabe durch den Netzbetreiber darf die Wirkleistungsbegrenzung aufgehoben werden. Antwortet der Netzbetreiber nicht innerhalb von acht Wochen nach Eingang des Antrags, gilt dies als Einverständnis.
Ab dem 01. Januar 2025 sind die Netzbetreiber verpflichtet, auf ihrer Internetseite alle aufgelisteten Informationen zur Durchführung des Anschlussbegehrens zur Verfügung zu stellen (§ 8 Absatz 7 EEG 2023). Zudem soll das Anschlussbegehren dann digital über ein Webportal geschehen. Sobald das digitale Angebot vorhanden ist, verkürzt sich die Frist nach Eingang des Anschlussbegehrens auf 4 Wochen.
Die Pflicht zur Antragstellung liegt beim Anlagenbetreiber selbst. Die Erstanmeldung übernimmt jedoch häufig der zuständige Installateur. Dieser Erstantrag ist aufgrund der Abfrage einer Vielzahl an technischen Daten und dem erforderlichen Einreichen von Datenblättern recht aufwändig. Bei der erneuten Antragstellung (ANA) vereinfacht sich das Verfahren jedoch. Soll die Wirkleistungsbegrenzung aufgehoben werden, können dies Anlagenbetreiberinnen und Anlagenbetreiber mit einem überschaubaren Aufwand erledigen.
Selbstverständlich kann auch der Installateursbetrieb den Antrag stellen. Da die meisten Firmen aber aufgrund der seit Monaten anhaltend hohen Nachfrage nach PV-Anlagen an der Auslastungsgrenze arbeiten, haben diese aktuell schlicht keine Zeit für diesen Service.
Allerdings besteht auch kein "Druck” bei der Aufhebung der 70 %-Regel: Die durch das EEG 2023 in Kraft tretende gesetzliche Regelung ist nicht zeitlich begrenzt. Außerdem sind im Winterhalbjahr keine Verluste durch eine bestehende Abregelung zu erwarten. Daher ist es sinnvoll, Routine-Termine, z.B. bei einem Wartungseinsatz zu nutzen und bei dieser Gelegenheit das Ausschalten der Wirkleistungsbegrenzung mit zu beauftragen.
Lohnt sich die Aufhebung der Wirkleistungbegrenzung?
Für Neuinstallation von Anlagen bis 25 kWp spielt das Thema 70 %-Regel keine Rolle mehr. Doch lohnt es sich, bei Bestandsanlagen bis 7 kWp die Wirkleistungsbegrenzung aufzuheben? Das hängt wesentlich davon ab, wie die Abregelung umgesetzt wurde.
Eine „harte“ Abregelung der Einspeiseleistung am Wechselrichter ist gleichbedeutend mit der Abregelung der Gesamtleistung. Wird an einem sonnigen Tag mehr als die 70 % der Nennleistung erreicht, wird der Wechselrichter abgeregelt und kein weiterer Strom produziert.
Die meisten PV-Anlagen erreichen ihre Nennleistung nur bei Südausrichtung und an wenigen Stunden im Jahr. Ost-West Anlagen erreichen diesen Schwellenwert zu keiner Zeit des Jahres. Praktisch führt die „harte“ Abregelung deshalb zu Verlusten von 1 bis 3 % bei der Gesamtleistung pro Jahr. Bei einer 7 kWp-Anlage entspricht das also ca. 70 bis 210 kWh.
Die Abregelung am Wechselrichter aufzuheben, ist Aufgabe des Installateurs, der dazu vor Ort sein muss. Hier gilt es für Anlagenbetreiberin und Anlagenbetreiber abzuwägen, ob die Produktion von wenigen kWh mehr pro Jahr den finanziellen Aufwand lohnt, den ein Vor-Ort-Einsatz des Handwerkers mit sich bringt.
Verfügt die PV-Anlage über ein Energiemanagement, verteilt dieses den aktuellen Solarertrag. Sobald mehr als 70 % der Nennleistung produziert werden, schaltet die intelligente Steuerzentrale zusätzliche Verbraucher (z.B. eine Wärmepumpe oder eine Wallbox) zu, die den überschüssigen Strom abnehmen. Dadurch kann die PV-Anlage insgesamt mehr als 70 % ihrer Nennleistung produzieren.
Liegt die Nennleistung z.B. bei 7 kWp, erfolgt die Abregelung theoretisch bei 4,9 kW Einspeiseleistung. Bei einem zusätzlichen steuerbaren Eigenverbrauch von 1,5 kW, können aber 6,4 kW Gesamtleistung produziert werden, also ca. 90 % der Nennleistung. Das Potential der PV-Anlage wird somit wesentlich besser ausgeschöpft. Andererseits bedeutet das aber auch, dass die Aufhebung der 70 %-Regel nur noch geringfügig höhere Erträge ermöglicht.
Die Abregelung durch ein Energiemanagementsystem (wie den SOLARWATT Manager) lässt sich durch die Einstellung weniger Parameter aufheben. Dies können Betreiber von PV-Anlagen allerdings nicht selbst tun. Die gesetzlichen Regelungen sehen vor, dass nur die Installateurin oder der Installateur diese Einstellungen vornehmen dürfen. Wurde den Experten aber das Recht zur Fernwartung eingeräumt, können diese die Aufhebung auch online vornehmen. Die Kosten für diesen Service fallen in der Regel deutlich niedriger aus als bei der Entsperrung am Wechselrichter.