Dynamische Stromtarife – Sparen mit zeitvariablen Strompreisen
Warum gibt es dynamische Stromtarife?
Wir haben uns daran gewöhnt, dass der Strom aus der Steckdose kommt, wann immer wir ihn benötigen. Damit das funktioniert, muss zu jedem Zeitpunkt so viel Strom angeboten wie verbraucht werden. Geraten Angebot und Nachfrage aus dem Gleichgewicht, verändert sich die Netzfrequenz (Frequenz des Wechselstroms) und das Netz wird instabil.
Während sich die Verbräuche aufgrund von Erfahrungen recht gut prognostizieren lassen, stellt vor allem die Einbindung erneuerbarer Energien die Versorger vor große Herausforderungen. Photovoltaik und Windkraft, die beiden erneuerbaren Quellen mit dem größten Beitrag zu unserer Energieversorgung, sind volatil.
Das heißt, das Angebot schwankt in Abhängigkeit von Windstärke und Sonneneinstrahlung. Hinzu kommt, dass insbesondere Photovoltaik-Strom auf der Ebene der Niederspannungsnetze eingespeist wird, was zu einer regionalen Überlastung führen kann.
Aber auch die zunehmende Elektrifizierung von Wärme und Mobilität sorgt dafür, dass die Netze an ihre Grenzen kommen. Das sogenannte Lastmanagement – der kurzfristige und sichere Ausgleich von Stromangebot und -nachfrage – wird immer wichtiger. Und hier kommen die dynamischen Stromtarife ins Spiel.
Die Grundidee ist einfach: Immer dann, wenn sehr viel Strom zur Verfügung steht, wird dieser billiger. Der niedrige Tarif bildet den Anreiz, den Strom abzunehmen und diesen z.B. einzuspeichern oder damit Großverbraucher wie die Wärmepumpe günstig zu betreiben. Umgedreht drosselt teurer Strom die Nachfrage – und es ist sinnvoll, alle Verbraucher, die nicht benötigt werden, abzuschalten. So lässt sich der Verbrauch über den Preise steuern.
Der Strommarkt: Ein Exkurs
Bei genauerer Betrachtung hatte Strom noch nie einen festen Preis, nur haben wir als Verbraucher das bisher nicht gemerkt. Denn die Schwankungen im Preis werden vom Stromversorger abgefangen. Der kalkuliert die Festpreise für seine Kunden so, dass das Angebot für ihn wirtschaftlich tragbar ist. Mit den dynamischen Strompreisen geben die Versorger einen Teil der Vorteile aber auch der Risiken an die Verbraucher weiter.
Die Versorger selbst beziehen ihren Strom von den Erzeugern. Dabei gibt es langfristige und kurzfristige Vereinbarungen hinsichtlich Menge und Preis. Am sogenannten Terminmarkt wird der Preis für Strom verhandelt, welcher erst in Monaten oder auch Jahren geliefert wird. Der Käufer am Terminmarkt reduziert sein Risiko und kann seine Ausgaben leichter kalkulieren. Allerdings besteht auch die Gefahr, dass er zu hohe Preise zahlt, wenn sich der Markt anders verhält als prognostiziert.
Am Spotmarkt hingegen wird Strom kurzfristig gehandelt. Man unterscheidet hier zwischen Intraday und Day-Ahead – d.h. zwischen einer Lieferung am selben oder am Folgetag. Wenn sich Stromanbieter und Netzbetreiber im selben Netzgebiet befinden, kann der gekaufte Strom innerhalb von 5 Minuten geliefert werden.
Die Strompreise werden per Auktion festgelegt, bei der alle Erzeuger eine Strommenge und den entsprechenden Preis anbieten. Die Teilnehmer mit dem günstigsten Angebot erhalten die Zusage, bis die Nachfrage befriedigt ist. Die Höhe der Nachfrage wird auf der Grundlage von Verbrauchsprognosen ermittelt.
Langfristig erfolgreiche Versorger kaufen stets einen Teil des Stroms am Terminmarkt, um langfristige Risiken zu minimieren, und einen Teil am Spotmarkt, um von den kurzfristigen Preisschwankungen zu profitieren.
Sich nur auf den Spotmarkt zu konzentrieren, ist hingegen selten ein tragfähiges Geschäftsmodell, denn kurzfristige Strompreissteigerungen können so nicht ausgeglichen werden. Im schlimmsten Fall geht der Anbieter pleite und die Kunden rutschen wieder in die Grundversorgung.
Stromhandel für jedermann dank dynamischer Strompreise
Über dynamische Strompreise, die sich nach dem Preis an der Strombörse richten, können erstmals die “Letztnutzer”, also die Verbraucher, von den volatilen Preisen am Strommarkt profitieren. Doch auch für die Erzeuger lohnt sich das Geschäft. Bisher wird der Strom bei einem Überangebot verschenkt; teilweise musste sogar Geld dafür gezahlt werden, dass jemand den Strom abnimmt (negative Strompreise).
Das ist auf Dauer selbstverständlich kein gutes Geschäft und es ist deutlich sinnvoller, den Strom zu günstigen Preisen den Verbrauchern direkt anzubieten. Prinzipiell besteht die Möglichkeit, z.B. PV-Strom, der für gewöhnlich zur Mittagszeit im Überschuss vorhanden ist, innerhalb eines definierten Zeitfensters preiswert zu verkaufen. Damit die dynamischen Stromtarife aber ihr volles Potential entfalten können, ist ein intelligentes Stromnetz erforderlich.
Dynamische, variable und “normale” Stromtarife – Was ist der Unterschied?
Jeder Stromtarif bestehen aus einem Grundpreis und einem Arbeitspreis in Cent pro Kilowattstunde. Bei “normalen” Tarifen sind beide Preise vertraglich festgelegt (fix). Bei dynamischen Stromtarifen ist der Arbeitspreis flexibel. Die Stromanbieter kennen den Preis bzw. dessen Verlauf dank des Handels am Spotmarkt einen Tag im Voraus und können den Kunden stündlich ein entsprechendes Angebot unterbreiten.
Diese Preissignale werden dann z.B. über eine Cloud oder eine App übermittelt. Das Energiesystem des Kunden kann dann automatisch darauf reagieren – z.B. durch Einschalten der Wärmepumpe bei Unterschreiten eines bestimmten Preises – oder durch vorab festgelegte Ladezeiten.
Bei einem variablen Stromtarif findet kein Abgleich mit dem aktuellen Börsenstrompreis statt. Hier werden typische Verbrauchsmuster* in Tarifangebote übertragen. So gibt es z.B. einen Nachttarif, der aufgrund der geringeren Nachfrage günstiger als der Tagestarif ist.
* An einem typischen Wochentag verläuft der Verbrauch in Form eines M’s. Die Spitzen kennzeichnen den erhöhten morgendlichen und abendlichen Strombedarf. Dynamische Strompreise sind viel stärker vom Stromangebot abhängig, also ob z.B. die Sonne scheint oder der Wind stark weht.
Dynamische Stromtarife und Energiemanagement
Bisher werden Angebot und Nachfrage im Stromnetz durch komplexe Mechanismen ausgeglichen, die vor allem auf Echtzeit-Messungen, Lastprognosen, den Aktivitäten an den Strommärkten und der Verfügbarkeit von Regelleistungen beruhen. Mit der Digitalisierung und der Einführung von Smart Grids – intelligenten Stromnetzen – kann der Stromverbrauch in Echtzeit gemessen, gesteuert und optimiert werden.
Intelligente Stromzähler (Smart Meter) sind eine zentrale Voraussetzung für die Nutzung dynamischer Stromtarife. Die Smart Meter melden die Verbrauchsdaten des Haushaltes über entsprechende Schnittstellen in Echtzeit an den Versorger. Dieser kann so den genutzten Strom auch sekundengenau zum gerade gültigen dynamischen Strompreis abrechnen.
Um das Potential dynamischer Stromtarife vollständig auszuschöpfen, sollte der Haushalt über ein Energiemanagement verfügen. Das verknüpft und steuert alle Komponenten des heimischen Energiesystems und verteilt den Strom so, dass er den höchstmöglichen finanziellen Nutzen stiftet. Ein weiterer Vorteil des Energiemanagements liegt darin, dass es die “Intelligenz” bündelt und die Möglichkeiten der angeschlossenen Geräte erweitert bzw. bestmöglich nutzt.
Apropos Geräte: Die sollten selbstverständlich auch “smart" sein, um von einen dynamischen Stromtarif optimal profitieren zu können. Lässt sich z.B. der Startzeitpunkt der Waschmaschine programmieren, können variable Tarife damit gut genutzt werden. Ist also bekannt, dass ab 12 Uhr der Strom billiger ist, dann wird die Maschine zu diesem Zeitpunkt zugeschaltet.
Ist die Waschmaschine hingegen vernetzt mit dem Energiesystem, kann sie zugeschaltet werden, wenn der Preis unter einen vorgegebenen Schwellenwert fällt. Beim Anschluss über Smart Plugs – steuerbare und intelligente Steckdosen – lassen sich die smarten Funktionen aber auch auf herkömmliche Waschmaschine und andere Verbraucher übertragen.
Für wen lohnen sich dynamische Strompreise?
Dynamische Strompreise können sich für verschiedene Verbrauchergruppen lohnen. Das gilt insbesondere dann, wenn sie in der Lage sind, ihren Stromverbrauch flexibel an den jeweiligen Preis anzupassen. Dazu gehören:
- Haushalte mit flexiblen Verbrauchsgewohnheiten
- Elektroauto-Besitzer
- Nutzer von Speichern
- Unternehmen mit energieintensiven Prozessen
- Betriebe mit eigener Stromerzeugung und Speichern
- Technikaffine Haushalte und "Energieoptimierer"
- Nutzer von Wärmepumpen oder Nachtspeicherheizungen
Verbraucher mit wenig Flexibilitäten (z. B. durch feste Arbeitszeiten oder Geräte, die ständig laufen müssen) profitieren hingegen kaum von dynamischen Preisen. Auch ohne smarte Haustechnik oder technische Hilfsmittel zur Überwachung und Steuerung des Verbrauchs ist es schwer, dynamische Preise effektiv zu nutzen.
Fazit
Dynamische Strompreise bieten viele Vorteile. Mit ihrer Hilfe lassen sich Stromkosten transparenter gestalten und zum Teil deutlich senken. Sie fördern ein marktdienliches Verhalten, das unser Stromnetz stabiler macht und die Notwendigkeit zur Speicherung und damit die Ausbaukosten verringert.
Allerdings liegt das Preisrisiko vollständig auf Seiten der Verbraucher. Und um die flexiblen Tarife nutzen zu können, muss in der Regel in zusätzliche Technik investiert werden. Pauschale Aussagen zur Wirtschaftlichkeit dynamischer Stromtarife lassen sich somit nur schwer treffen – hier kommt es auf den Einzelfall an.