Der ökologische Fußabdruck
Wir Menschen hinterlassen Spuren auf der Erde, unseren Fußabdruck. Nicht nur, wenn wir uns in der Natur bewegen - im Wald, auf Eis, in der Wüste oder am Meer. Auch unser Lebensstil hinterlässt Spuren. Wir verbrauchen alle Ressourcen, die uns die Natur bietet, manche Menschen mehr und andere weniger.
Die Spur, die wir als Person, als Unternehmen oder als Nation auf der Erde hinterlassen, ist der ökologische Fußabdruck. Was sich hinter diesem Begriff verbirgt, wo er herkommt, welche Folgen er hat, zeigt dieser Beitrag.
Was ist der ökologische Fußabdruck?
Für alle menschlichen Tätigkeiten und wirtschaftlichen Arbeiten müssen wir auf Ressourcen der Erde zurückgreifen. Wir handeln dabei nach wie vor so, als wären die Vorräte der Natur in unendlicher Menge verfügbar. Doch das sind sie nicht. Schon Anfang Mai 2022 hatte Deutschland alle Ressourcen verbraucht, die bei einer nachhaltigen Nutzung für ein ganzes Jahr zur Verfügung stehen. Das ist ein Tag früher als im vergangenen Jahr. Berechnet wurde dieser Wert vom Global Footprint Network.
Nicht alle Ressourcen wachsen wieder nach, regenerieren sich oder können kompensiert werden, auf jeden Fall nicht in dem Maß oder der Geschwindigkeit, in dem wir sie verbrauchen. Wir können aber nicht dauerhaft mehr Wasser, Rohstoffe oder Land verbrauchen, als es auf der Erde gibt oder sich in kurzer Zeit neu bilden.
Mit dem ökologischen Fußabdruck haben wir einen anschaulichen Indikator für die Nachhaltigkeit der menschlichen Aktivitäten. Er gibt das an, was wir der Erde entnehmen oder von ihr verbrauchen, und setzt es in ein Verhältnis zu dem, was uns unser Planet zur Verfügung stellt. Die Kennzahl berücksichtigt auch den Verbrauch von Landflächen und Wasser, CO₂-Emissionen und die Folgen unseres Handelns für Artenvielfalt und Landschaften.
Im ökologischen Fußabdruck drückt sich die erforderliche, biologisch produktive Fläche aus, die benötigt wird, um den Lebensstil und Lebensstandard eines Menschen dauerhaft zu ermöglichen. Diese Fläche berücksichtigt den Anbau von Lebensmitteln, die Produktion von Fasern für Kleidung, die Regeneration von Holz, die Absorption von Kohlendioxid-Emissionen und den Flächenbedarf für die Infrastruktur. Der Verbrauch eines Landes bezieht auch die Im- und Exporte von Gütern und Rohstoffen ein, die jeweils addiert bzw. abgezogen werden.
Das Ergebnis wird in globalen Hektar (gha) angegeben. Das ist die produktive Fläche, die notwendig ist, um die Ressourcen zu liefern, die wir konsumieren.
Ein Beispiel: In Deutschland brauchen wir im Weltmaßstab 2,9 Erden, um unseren Lebensstil aufrecht zu erhalten. Das ist ein immenser Ressourcenverbrauch. Andere Industrienationen verbrauchen noch mehr, die ärmeren Länder, z. B. in Afrika, deutlich weniger.
Mit Hilfe des ökologischen Fußabdrucks lässt sich die Nachhaltigkeit des Lebensstils von einzelnen Personen oder Ländern, Städten, Unternehmen oder Organisationen in einem Wert ausdrücken, der miteinander verglichen werden kann.
Neben dem ökologischen Fußabdruck gibt es auch den ökologischen Rucksack. Dieser bezieht sich nur auf einzelne Produkte oder Dienstleistungen. Er gibt den Verbrauch von Ressourcen an, die für die Herstellung, den Gebrauch und die Entsorgung anfallen.
Ökologische Bilanz mit Vergleich von Entnahme und Angebot
Der Fußabdruck alleine gibt nur die Größe der Spuren an, die wir Menschen auf der Erde hinterlassen, also was wir ihr entnehmen. Er beinhaltet noch nicht das Angebot der Erde, das uns zur Verfügung steht, die Ressourcen, Landflächen und deren Regenerationsfähigkeit. Dieses Angebot wird durch die Biokapazität ausgedrückt.
Man kann sich beide Größen - ökologischer Fußabdruck und Biokapazität - vorstellen, analog zu den Ausgaben und Einnahmen in der Ökonomie. Wer mehr ausgibt (einen höheren ökologischen Fußabdruck hat), als er einnimmt (als die Erde im Rahmen ihrer Biokapazität zur Verfügung stellen kann), macht Schulden.
Daher haben Länder mit einem Fußabdruck, der größer ist als die Biokapazität, ein ökologisches Defizit. Demgegenüber stehen die Länder mit einer ökologischen Reserve, denn ihre Biokapazität ist größer als ihr ökologischer Fußabdruck.
Geschichte des ökologischen Fußabdrucks
Die Definition des ökologischen Fußabdrucks als Nachhaltigkeits-Indikators stammt aus der Doktorarbeit von Mathis Wackernagel. Der Schweizers schrieb seine Dissertation in den frühen 1990er Jahren an der Universität von Columbia in Vancouver, Kanada. In Zusammenarbeit mit William Rees wollte er die Begrenztheit ökologischer Rohstoffe aufzeigen. Ferner war es sein Ziel, einen Maßstab für eine nachhaltige Entwicklung zu entwerfen. Seit dieser Zeit steht der Begriff “ökologischer Fußabdruck” für den Einfluss des menschlichen Verhaltens auf den Planeten.
Heute ist Mathis Wackernagel Präsident des Global Footprint Network, einer internationalen Forschungsorganisation, die er 2003 gegründet hat. Die Organisation sammelt Daten rund um den ökologischen Fußabdruck, bereitet sie auf und stellt sie der Öffentlichkeit zur Verfügung.
Vergleich mit CO₂-Fußabdruck
Der CO₂-Fußabdruck ist nicht so umfassend wie der ökologische Fußabdruck. Er betrachtet nur die Emissionen von Personen, Produkten, Ländern oder Unternehmen. Die verbrauchten Ressourcen, Landflächen und Wasser spielen jedoch keine Rolle bei dieser Bilanzierung der Emissionen.
Mit 60 Prozent machen die Kohlendioxidemissionen mittlerweile den größten Anteil des ökologischen Fußabdrucks aus. Daher gibt der CO₂-Fußabdruck einen deutlichen Hinweis darauf, wie groß unsere Spuren auf der Erde insgesamt sind. Wir müssen ihn ebenso auf Null bringen, wie den ökologischen Fußabdruck, um das Klimaziel des Pariser Abkommens von 2015 einzuhalten.
Für das Klima ist der ökologische Fußabdruck aussagekräftiger. In seine Berechnung fließen auch der Verbrauch an Ressourcen und Flächen sowie die Regenerationsfähigkeit der Erde ein.
Wie berechne ich den ökologischen Fußabdruck?
Die Ermittlung des Nachhaltigkeits-Indikators ist sehr aufwändig, da viele Faktoren berücksichtigt werden müssen. Das Global Footprint Network stellt einen Vergleich von ökologischem Fußabdruck und vorhandener Biokapazität als Übersicht für einzelne Länder zur Verfügung. Allerdings sind diese Daten nicht mehr aktuell, die letzten Werte stammen aus dem Jahr 2018.
Um den individuellen ökologischen Fußabdruck zu ermitteln, werden verschiedene Online-Rechner angeboten. Sie nutzen unterschiedliche Daten und Berechnungen und stellen verschiedene Fragen zu relevanten Themenbereichen. Daher kommen sie auch zu unterschiedlichen Ergebnissen. Die Fragen beziehen sich stets auf die Bereiche Lebensmittel, Wohnen und Mobilität und berücksichtigen teilweise auch den Konsum.
- Global Footprint Network: Den Fußabdruck-Rechner des Global Footprint Network gibt es auch auf Deutsch. Das Ergebnis zeigt, wie viel Erden der Lebensstil des Nutzers / der Nutzerin benötigt und an welchem Tag im Jahr die Ressourcen verbraucht wären, wenn alle Menschen so leben würden. Eine Detailauswertung zeigt die Aufteilung nach Landtyp und Verbrauchskategorie. Außerdem wird der Verbrauch an globalen Hektar errechnet und der Anteil an CO₂-Emissionen im ökologischen Fußabdruck.
- Brot für die Welt: In 13 Fragen zu Essen, Wohnen, Konsum und Mobilität ermittelt der Test von Brot für die Welt den ökologischen Fußabdruck in globalen Hektar, inklusive Tipps zur Verkleinerung der Spuren.
- Environmental Footprint: Der Rechner des WWF gilt nur für das Vereinigte Königreich, er rechnet mit den entsprechenden Daten.
Weitere Rechner erfassen mitunter die gleichen Fragen, geben aber im Ergebnis lediglich den CO₂-Fußabdruck an.
Kritik am Rechenverfahren
Das Verfahren zur Ermittlung unserer ökologischen Fußabdrücke haben die Wissenschaftler um Mathis Wackernagel festgelegt, sie mussten sich für einen Weg entscheiden. Es enthält Vereinfachungen und Abschätzungen, um die Komplexität des Verfahrens zu begrenzen. Dadurch gibt es auch einige kritische Fragen zum ökologischen Fußabdruck.
Zu dieser Kritik gehört, dass nicht alle möglichen Verschmutzungen oder Umweltprobleme in der Ermittlung enthalten sind. So fehlt die Verschmutzung von Luft, Wasser und Boden - ein Beispiel ist der Plastikmüll im Meer. Diese Probleme machen sich erst bemerkbar, wenn sich die verschmutzten Ressourcen nicht mehr regenerieren können.
Das Bewertungsverfahren berücksichtigt auch den Verlust der Artenvielfalt nicht. Fakt ist: Tier- und Pflanzenarten können nur überleben, wenn ihre Ökosysteme funktionieren und ausreichend groß sind. Daher ist ein geringer ökologischer Fußabdruck gut für den Erhalt der Artenvielfalt.
Die wichtigste Einflussgröße auf den ökologischen Fußabdruck sind die CO₂-Emissionen. Genügt es dann nicht, sich darauf zu konzentrieren? Auch wenn der CO₂-Fußabdruck mehr als die Hälfte des ökologischen Fußabdrucks ausmacht, so berücksichtigt er nicht den Verbrauch an weiteren Ressourcen wie Land und Wasser. Eine Verengung des Blickes ausschließlich auf Emissionen führt zu negativen Entwicklungen wie der Abholzung des Regenwaldes für die Gewinnung von Biosprit.
Der ökologische Fußabdruck löst auch nicht das Problem globaler Ungerechtigkeiten. Wir können nach dem Konzept aber das nutzen, was die Natur uns gibt. Wenn wir für Produkte, die bei uns hergestellt werden, importierte Rohstoffe nutzen, sind diese zu großen Teilen in der Bilanz des Ursprungslands enthalten, nicht aber in dem Land, in dem wir sie nutzen. Dadurch werden vor allem Länder des globalen Südens benachteiligt, die eher Rohstoffe und energieintensive Vorprodukte für den Weltmarkt zur Verfügung stellen.
Wie viele Erden brauchen wir für unseren Lebensstil?
Dieser Nachhaltigkeitsindikator ökologischer Fußabdruck zeigt an, wie viele Ressourcen wir verbrauchen im Vergleich zu dem, was die Erde uns bietet. Das Ergebnis der Berechnungen des Global Footprint Network macht deutlich: mehr als 80 Prozent der Menschen auf der Welt leben in Ländern, die der Natur mehr Ressourcen entnehmen, als diese regenerieren kann. In Deutschland übersteigt der ökologische Fußabdruck die Biokapazität sogar um mehr als 200 Prozent!
Earth Overshoot Day - das Guthaben ist aufgebraucht
Diese Zahlen haben zur Folge, dass wir in jedem Jahr zu dem Punkt kommen, an dem wir der Natur mehr Ressourcen entnommen haben, als diese in einem ganzen Jahr regenerieren kann. 2021 fiel dieser Tag, der sogenannte Earth Overshoot Day oder Erdüberlastungstag, für die gesamte Welt auf den 29. Juli. Das bedeutet, ab diesem Tag haben wir Raubbau an unserem Planeten betrieben. Im gesamten Jahr hat die gesamte Menschheit 1,7-mal mehr Ressourcen verbraucht, als Biokapazität zur Verfügung stand.
In Deutschland fiel der Earth Overshoot Day 2022 bereits auf den 4. Mai und in den USA sogar schon auf den 13. März. Dagegen hat China erst am 2. Juni sein Budget an Ressourcen verbraucht.
Für Deutschland hat das Global Footprint Network eine Biokapazität pro Einwohner von 1,5 gha ermittelt. Sie ist damit ungefähr so hoch, wie der Durchschnitt auf der gesamten Erde. Unser ökologischer Fußabdruck ist allerdings etwa dreimal so hoch. Das bedeutet, wir benötigen mit unserem Lebensstil in Deutschland drei Erden, um unseren Bedarf an Ressourcen zu decken.
Folgen des Defizits an Ressourcen
Das negative Budget ist nicht nur ein Konstrukt an Zahlen, die Überlastung der Erde ist an vielen Orten deutlich sichtbar und macht sich ganz unterschiedlich bemerkbar. Es gibt eine zunehmende Zahl von extremen Wetterereignissen durch eine erhöhte Konzentration des Treibhausgases Kohlendioxid in der Atmosphäre, mehr Gegenden mit Bodenerosion und einen Verlust der Artenvielfalt.
Die Überlastung der Natur bedeutet, wir wirtschaften ökologisch defizitär. Wir verwenden heute das Ressourcen-Budget der Zukunft, machen also Schulden. Oder anders ausgedrückt: Wir verschwenden die Ressourcen unserer Kinder aus, ohne diese Vorschüsse jemals zurückzahlen zu können. Wirtschaftlich funktioniert ein solches Verhalten nicht lange, dann droht der Bankrott. Ökologisch betrachtet ist jetzt schon sicher, dass unsere Kinder die Folgen unserer Schulden langfristig spüren werden.
Den ökologischen Fußabdruck verkleinern
Das Ziel muss lauten, den ökologischen Fußabdruck deutlich zu verkleinern. Dazu ist es notwendig, den Ausstoß von CO₂-Emissionen, den Verbrauch an Ressourcen und die Versiegelung von Flächen zu verringern. Wir müssen Produkte länger nutzen und Ressourcen wiederverwenden.
Um diese Ziele zu erreichen, sieht das Global Footprint Network fünf konkrete Handlungsfelder:
- Städte: Die Gestaltung unserer Städte spielt eine wesentliche Rolle für den ökologischen Fußabdruck. Es wird erwartet, dass bis 2050 zwischen 70 und 80 Prozent der Menschen in städtischen Regionen leben. Individuelle Mobilität ist allein für 17 Prozent des menschlichen Fußabdrucks verantwortlich. Hier bedarf es neuer Mobilitätskonzepte.
- Energie: Eine Dekarbonisierung der Wirtschaft ist ein wichtiges Mittel zur Begrenzung des Klimawandels. Alleine durch eine vollständige Reduzierung der CO₂-Emissionen könnten wir den Erdüberlastungstag um mehr als drei Monate nach hinten verschieben.
- Lebensmittel: Die Nahrung wirkt sich auf zwei Wegen auf den ökologischen Fußabdruck aus. Der Aufwand für die Produktion ist so hoch, dass eine Halbierung des Konsums von Fleisch den Erdüberlastungstag um 17 Tage nach hinten verschiebt. Eine Reduzierung der weggeworfenen Lebensmittel um die Hälfte verschiebt diesen Tag um weitere 13 Tage.
- Planet: Dieser Bereich betrifft unsere biologischen Ressourcen; Wälder, Seen, Feuchtgebiete, Wiesen und Meere. Wenn wir 350 Millionen Hektar Wald neu pflanzen oder Brachflächen aufforsten, verschiebt sich der Erdüberlastungstag um 8 Tage nach hinten.
- Bevölkerung: Das Bevölkerungswachstum, vor allem in den ärmeren Ländern, sorgt für einen zunehmenden Druck auf den Verbrauch von Ressourcen.
Fazit
Mit dem ökologischen Fußabdruck haben wir einen anschaulichen Indikator für die Nachhaltigkeit. Er gibt an, wie ressourcenintensiv unser Lebensstil ist. Zu diesem Gradmesser gehört ein Vergleich mit dem Budget, das die Erde uns zur Verfügung stellt. Besonders in den großen Industrienationen verbrauchen wir deutlich mehr, als unser Budget eigentlich zulässt. Wir leben auf Pump und wirtschaften auf Kosten kommender Generationen.
Unser ökologischer Fußabdruck macht uns bewusst, wie wir mit unserem Planeten umgehen und zeigt, dass wir nicht dauerhaft so weiterleben können. Wir müssen unseren Fußabdruck so weit verringern, dass wir nicht mehr über unsere Verhältnisse leben. Er darf nur noch so hoch sein, wie die uns zur Verfügung stehende Biokapazität.
Oder wie es die Fridays For Future-Bewegung ausdrückt: “There is no planet B”. Eine zweite Erde haben wir nicht.