Bidirektionales Laden - Das Elektroauto als Stromspeicher
Stromüberschuss im Auto speichern und im Haushalt nutzen
Angesichts steigender Strompreise wollen immer mehr Menschen unabhängig vom Energieversorger sein. Mit einer Photovoltaikanlage ist der erste Schritt zur Unabhängigkeit getan. Mit einem zusätzlichen Stromspeicher kann überschüssiger Solarstrom gespeichert werden, um die Energie dann zu nutzen, wenn sie gebraucht wird. Das bidirektionale Laden eröffnet hier eine Möglichkeit für mehr Energiesicherheit.
Beim bidirektionalen Laden (BDL) kann Strom in zwei Richtungen fließen: Das heißt Autobatterien könnten theoretisch genutzt werden, um Strom nicht nur aus dem Netz aufzunehmen, sondern auch dazu, den Strom ans Netz abzugeben. Das klingt vielversprechend, aktuell gibt es am Markt jedoch noch keine bezahlbaren Lösungen, die die entsprechenden Voraussetzungen erfüllen. Eine BDL-Wallbox ist im Gegensatz zur Standard-Wallbox sehr teuer – die Preise liegen hier weit über 5.000 Euro. Zudem verfügen viele E-Autos aktuell noch nicht über die technischen Voraussetzungen für bidirektionales Laden. Es sind also bisher keine standardisierten Lösungen zu vertretbaren Preisen verfügbar.
Was sind die Voraussetzungen für bidirektionales Laden?
Soll die Batterie eines Autos zum bidirektionalen Laden genutzt werden, gibt es eine technische Herausforderung: Elektroautos fahren mit Gleichstrom (DC), im Haushalt wird aber nur Wechselstrom (AC) verwendet. Beim Laden muss also der von der Wallbox angebotene Wechselstrom im On-Board Charger, dem internen Ladegerät des Elektroautos, mittels eines Wechselrichters in Gleichstrom umgewandelt und in der Fahrzeugbatterie gespeichert werden. Soll der Strom aus der Autobatterie anschließend wieder in das Haus- oder Stromnetz zurückgegeben werden, muss dieser Prozess in umgekehrter Richtung ablaufen, der Gleichstrom muss also wieder in Wechselstrom zurückgewandelt werden.
Derzeit ist noch nicht final geklärt, wo diese Umwandlung stattfinden soll. Möglich wäre die Umwandlung im On-Board Charger des Elektroautos oder in der Wallbox. Dafür bräuchte es einen zusätzlichen Wechselrichter im On-Board-Charger, was das Elektroauto verteuern würde oder einen zusätzlichen, in der Wallbox integrierten Wechselrichter, was die Kosten für die Ladestation erhöhen würde. Es ist daher absehbar, dass es zumindest in der Anfangszeit beide Lösungen parallel am Markt geben wird, bis sich eine Variante durchsetzt. Das heißt aber, dass auch nicht jedes BDL-Elektroauto mit jeder BDL-Wallbox kompatibel sein wird.
Wo kann das bidirektionale Laden eingesetzt werden?
Es gibt mehrere Anwendungsmöglichkeiten für das bidirektionale Laden. Wenn das an die Wallbox angeschlossene E-Auto Energie an das Stromnetz des Hauses abgibt, spricht man von Vehicle to Home (V2H). Überschüssiger PV-Strom kann im E-Auto zwischengespeichert und später im Haushalt verwendet werden, beispielweise wenn kein PV-Strom produziert wird. Ebenso lässt sich mit günstigen Netzstrom (zeitvariable Stromtarife, kostenloses Laden bei der Arbeit) verfahren. Interessant wird diese Variante bei der Notstromversorgung: Die Batterie eines vollgeladenen E-Autos hat eine Speicherkapazität von größer 50 kWh. Damit lässt sich ein durchschnittlicher Haushalt für 3 bis 4 Tage versorgen.
Die anspruchsvollere Variante des bidirektionalen Ladens wird als Vehicle to Grid (V2G) bezeichnet. Dabei speist das E-Auto den in der Batterie gespeicherten Strom nicht nur ins heimische, sondern auch in das öffentliche Netz ein. Mit Hilfe einer intelligenten Steuerung könnten sämtliche Fahrzeuge zusammengeschaltet werden, was ein riesiges Speicherpotential ergibt. Das ließe sich z.B. dazu nutzen, das Netz zu stabilisieren. Doch warum sollten Fahrzeug-Besitzerinnen und Besitzer ihre Speicherkapazität dem Netz zur Verfügung stellen? Ganz einfach: Die durch das BDL-fähige Elektroauto bereitgestellte Leistung / Energie / Kapazität wird vergütet! Soweit die (gute) Idee, aktuell fehlen für diese Anwendung jedoch regulatorische Kriterien, d.h. genau Regeln wie viel wofür gezahlt und wie die eingespeisten Strommengen exakt gemessen werden.
Ersetzt bidirektionales Laden den Heimspeicher?
Momentan stehen E-Autos tagsüber, wenn die Photovoltaikanlage den meisten Strom erzeugt wird, meist nicht zu Hause. Da heißt, überschüssiger Solarstrom kann nur in einer stationären Batterie gespeichert oder ins Stromnetz eingespeist werden. Die Fähigkeit zum bidirektionalen Laden bringt in dieser Situation also keine Vorteile.
Als „Ersatz“ für einen Stromspeicher ist die Autobatterie eher ungeeignet. Die PV-Überschüsse sind meist nicht groß genug, um den kompletten Strombedarf eines Elektroautos zu decken. Unsere Erfahrung mit mehreren tausend Wallboxen im Feld zeigt: Im Schnitt werden ca. 1.500 kWh PV-Überschuss ins Elektroauto geladen (das entspricht einer Fahrstrecke von ca. 8.500 km, benötigt werden aber ca. 2.200 kWh im Jahr. Es ist daher nicht sinnvoll, den Strom aus der Autobatterie ins Haus- oder öffentliche Netz zu speisen, um dann das Auto wieder mit teurerem Netzstrom zu laden. Außerdem ist die Rückspeisung in der Regel mit hohen Umwandlungsverlusten verbunden, was die Kosten weiter erhöht. Die Ursache dafür ist technischer Natur: Elektroautos sind für schnelles Laden (11 kW) ausgelegt. Bei kleinen Lade- und Entladeleistungen, wie sie typischerweise im Haushalt auftreten (500 Watt Grundlast bis 2 kW), arbeiten die Laderegler im Elektroauto zu ineffizient.
Fazit
Elektroautos, die bidirektionales Laden ermöglichen, können einen stationären Stromspeicher also nicht ersetzen, sondern ihn lediglich ergänzen. Ihre vorrangige Bedeutung liegt in ihrer Fähigkeit, aufgrund hoher Speicherkapazitäten zur Stabilisierung des Netzes beitragen zu können.